Stiftungen als Akteure der gemeinwohlorientierten Wohnungspolitik?

Wie wollen wir in Zukunft (zusammen)leben?

Wie steht es aktuell um das Potential von Stiftungen, den aktuell angespannten Wohnungsmarkt in den Städten zu entlasten? Welche Rolle können sie in der Stadtentwicklung – auch im Sinne einer nachhaltigen und sozial orientierten Bodenpolitik – spielen? Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) stellt neue Studie vor.

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum in den Städten setzt die Politik unter Druck und die Mietpreissteigerungen werden mancherorts zur Zerreißprobe gesellschaftlichen Zusammenlebens. Gleichzeitig wirken sich individuellere Lebensmodelle auf die Ausdifferenzierung des Wohnungsmarktes aus. Hier rückt der gemeinwohlorientierte Sektor wieder ins Blickfeld der Politik. In den Jahren 2017/2018 wurde im Auftrag des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) das Handeln und die Finanzierungsmodelle von Stiftungen, aber auch anderer gemeinwohlorientierter Akteure untersucht. Ziel war es, sich neben den „klassischen“ Akteuren auf dem Wohnungsmarkt, einen Überblick über die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die Eignung spezifischer Organisations- und Geschäftsmodelle sowie das Engagement für eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik zu schaffen, um sie ggf. strukturiert in die Wohnungspolitik einbinden zu können.
Ein Vergleich mit den Situationen in Österreich, Schweiz, Italien, Belgien und Großbritannien rundet die Untersuchung ab.

Für die Studie wurde die Stiftungsdatenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen ausgewertet. 212 Stiftungen konnten dem Stiftungszweck Bereitstellung von Wohnraum oder einer Immobilie für Wohnzwecke oder die Bewirtschaftung von Wohnraum zugeordnet werden. Dabei wird der Zweck direkt durch Bewirtschaftung des Wohnraums oder indirekt durch Unterstützung von spezifischen Zielgruppen durch Beratung und Wissenstransfer umgesetzt. Eine differenzierte Befragung erfolgte online, durch Interviews und Fachgespräche, an denen 51 Stiftungen teilnahmen.

Es geht nicht nur um kostengünstigen Wohnraum

Eines der Ergebnisse überrascht nicht: Quantitativ spielen Stiftungen in der Umsetzung ihrer ideellen Zwecke heute auf dem Wohnungsmarkt keine Rolle. Die befragten Stiftungen verfügen insgesamt über 15.070 Wohneinheiten. An ihren Satzungszweck gebunden sind sie in den Bereichen Förderung von Wohnraum für Betreuungsbedürftige und Studierende/Schüler/Auszubildende oder Förderung des Zusammenlebens verschiedener Personenkreise zu finden. Ob Stiftungen durch ihre Vermögensanlage einen Einfluss auf die aktuelle Wohnungssituation haben, kann nicht gesagt werden. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen geht nach einer Erhebung davon aus, dass 20 % der Stiftungen in ihrer Vermögensverwaltung in Immobilien investieren.

In den letzten Jahren haben einige wenige Stiftungen und Akteure anderer Organisationsformen neue Schwerpunkte gesetzt. Mit dem Ziel Boden der Spekulation zu entziehen, Wohnraum zu vergemeinschaften oder das (städtische) Zusammenleben neu zu denken sind sie seit einigen Jahren erfolgreich aktiv. Die Stiftung Trias, das Mietshäuser Syndikat GmbH, Montag Stiftung Urbane Räume oder die Schweizer Edith Maryon Stiftung sind bekannte Pioniere, deren Modelle in der heutigen Diskussion immer mehr Beachtung finden. Diese werden in der Untersuchung im Einzelnen vorgestellt.

Strategische Kooperationen mit besonderer Wirkung

Ein Ergebnis möchte ich hervorheben. Strategische Kooperationen von Stiftungen mit Kommunen und lokalen Hausprojektakteuren erzielen eine Wirkung, die in das gesamte Quartier ausstrahlt. Diese Art der Zusammenarbeit ermöglicht auch erst die von einigen wenigen Städten praktizierte Konzeptvergabe bei der Bebauung von kommunalen Grundstücken. Hier erhält nicht mehr der Bauträger mit den günstigsten Angeboten den Zuschlag, sondern der, der sich konzeptionell mit dem bestehenden Umfeld auseinandersetzt und das soziale Miteinander fördert.

 

Weitere Informationen
Mit der Veröffentlichung der Studie steht Stiftungen eine erste Betrachtung des Engagements von Stiftungen zur Verfügung. Sie gibt Anregung, die eigene Rolle in der aktuellen Debatte um Stadtgesellschaft und zukünftiges Zusammenleben zu prüfen.

Weitere Informationen und einen download der Publikation finden Sie unter:
BBSR Sonderveröffentlichung „Gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik – Handlungsfelder, Potenziale und gute Beispiele von Stiftungen und anderen Non-Profit-Akteuren“, Berlin April 2019, ISBN978-3-87994-241-1

Was können Stiftungen tun

Mission Investing. Das zweckorientierte Investieren wäre eine Möglichkeit, kommt für einen Großteil der Stiftungen aufgrund ihres Stiftungszwecks und der Höhe ihres Stiftungskapitals nicht in Frage.

Anlagerichtlinie überprüfen. In den letzten Jahren hat das Interesse an Immobilienfonds zu genommen. Schließlich versprechen sie eine vergleichsweise hohe Rendite. Dennoch können Stiftungsvorstände, wie bei anderen Investitionen in bestimmte Branchen auch, hinterfragen, in welche Immobilien sie investieren und ob diese ihren ethischen Grundlagen entsprechen.
Es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit und des Images. Auch Stiftungen als Eigentümerinnen von Immobilien geraten zurzeit wegen Abriss, unverhältnismäßiger Verwaltung oder Sanierung unter Druck. Hier ist das Verständnis in der Öffentlichkeit noch geringer als bei ausschließlich profitorientierten Akteuren, da die Gemeinnützigkeit auf das gesamte Handeln verstanden wird.

Strategisch Kooperieren und Förderprogramme überdenken. Komplexe Herausforderungen sind heute nur gemeinsam zu bewältigen. Fragen Sie sich, wo Ihre Stiftung als Baustein in der Entwicklung der Stadtgesellschaft fungieren kann, an welcher Stellschraube Sie mit Ihrer Förderung drehen können. Welche Rolle wollen Sie dabei einnehmen? Wer sind die zivilgesellschaftlichen Akteure vor Ort? Wie managt man das trisektorale Handeln? Stiftungen könnten ihre Haltung, ihre Rolle und ihre Förderprogramme in der aktuellen Debatte um Wohnraum einbringen. Denn es geht schließlich auch darum, Antworten auf die Frage zu finden, wie wollen wir in Zukunft leben und vielleicht auch darum, die Moderation in dem Prozess zu übernehmen.